Der allererste Beitrag, den ich damals in Hinblick auf diesen Blog geschrieben hatte, blieb in einem Ordner liegen und wurde (zusammen mit anderen mehr oder weniger fertigen Beiträgen) jetzt von mir wiedergefunden- als ob er gewartet hätte… :
Dieser Küchentisch. Unbeteiligt trägt er meine schweren Ellenbogen, die sich in die Spiegelung kaltgrauen Herbstlichtes stützen. Draußen peitschen Autoreifen durch die Pfützen.
In einem Schulbuch habe ich gelesen, dass Atome, aus denen ja auch dieser Küchentisch aufgebaut ist, zu deutlich über 99 % aus leerem Raum bestehen. Die Größe des Atomkerns sei zu vergleichen mit der einer Walnuss in der Mitte eines Fußballstadions.
Das, mein lieber Küchentisch, ist also dein Geheimnis: Ungezählte leere Fußballstadien mit winzigen Walnüssen darin. Was so fest und verlässlich wirkt: fast ausschließlich ’nichts‘! Selbst bei längerer Betrachtung will in meinem Kopf irgendetwas nicht so recht mitmachen – es bleibt beeindruckend unvorstellbar, wenn auch rein theoretisch natürlich offensichtlich und absolut nachvollziehbar.
Wenn ich das annähernd richtig verstehe, geht es sogar noch viel weiter. Von den neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik habe ich gehört, dass nicht nur die ‚Substanzhaftigkeit‘ der erwähnten ‚Walnuss im Fussballstadion‘ in Zweifel zu ziehen ist, sondern dass zusätzlich auch die Wahrnehmung des Ganzen noch eine Rolle spiele. Was heißt, dass all‘ die Fußballstadien und Walnüsse der Tischplatte sich anscheinend nur dann als ausreichend tragfähig-abweisend für die Fußballstadien und Walnüsse meiner von der Schwerkraft gebeutelten Kaffeetasse erweisen, und sie daran hindern, in’s Bodenlose (ja genau, denn auch der Fußboden besteht ja aus? …) zu fallen, wenn ich dies auch genau so wahrnehme .
Wenn ich dieses ’nichts‘ von Küchentisch, dieses ’nichts‘ von Kaffeetasse, dieses ’nichts‘ von Fußboden, … dieses ’nichts‘ von meinem Körper, genau so wahrnehme…
Könnte ich denn anders?
Es gab Augenblicke, in denen ich mich ehrlich gewundert habe, dass alle Bäume tagaus und tagein am selben Platz stehen. Aber könnte ich denn wahrnehmen, dass heute morgen der Apfelbaum am anderen Ende des Gartens stünde und ein Kirschbaum sei?
Offensichtlich kompliziert.
Mit dem Universum ist es zum Glück etwas einfacher. Nicht umsonst lag ich mit zehn oder zwölf Jahren so viele Nächte lang wach. ‘Wenn das Universum mit dem Big Bang begann, was war dann genau davor?’ – ‘Wenn das Universum irgendwo da draußen in gigantisch großer Entfernung endet, was kommt dann direkt dahinter?’
Kaum, dass die Frage formuliert war, musste sie schon wieder von vorn gestellt werden. Doch so sehr ich mir auch das Gehirn zermarterte, kam letzten Endes nur die unbefriedigende und unbehagliche Einsicht dabei heraus, dass diese Fragen wohl niemals zu beantworten seien.
Damals konnte ich nicht sehen, dass ich mit dem ‚falschen‘ Werkzeug und am ‚falschen‘ Platz suche. Dass es einen unendlichen Raum und ein tieferes Verstehen jenseits aller Gedanken gibt. Selbst wenn ich es mit der Unschuld und der Intuition eines Kindes vielleicht damals schon geahnt hätte, soviel später erst konnte ich die Worte dafür hören:
Vor Anbeginn aller Zeit bin ich da.
Jenseits aller Begrenzung von Raum bin ich dort.
Die Sache mit dem Küchentisch, der Tasse und dem Fußboden, lässt sich ebenfalls nicht so einfach ignorieren: Wenn nun schon meine sinnliche Wahrnehmung derart kläglich daran scheitert, das Wesentliche an der physikalischen Existenz dieses Tisches zu erfassen
– was kann ich mir denn eigentlich überhaupt auf meine Meinung vom ‚Rest der Welt‘ einbilden…..?