Wer bin ich?

Zugegeben – es nicht gerade das erste Mal, dass ich auf diese Fragestellung zurückkomme… – andererseits: man kann sich ihr doch gar nicht oft genug aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus annähern, oder?
Heute will es einmal vor dem Hintergrund von Sprache und Begrifflichkeit versuchen. Das mag vielleicht ein wenig theoretisch und kompliziert daherkommen, aber das Erleben, auf das ich mich beziehe, ist etwas sehr einfaches und direktes.

Das Reich der Sprache bietet einen guten Vergleich, worauf es bei der Frage ‘wer bin ich?’ unter anderem ankommen könnte. Auf der Ebene von Sprache finden sich unter den Nomen und Pronomen bestimmte Begriffe, die sowohl als Objekt als auch als Subjekt vorkommen können.
Diese Begriffe bezeichnen mehr oder weniger klar umrissene Formen, auf die sich eine Handlung beziehen kann, die selber eine Handlung ausführen können, oder die sich auch z.B. in einem bestimmten Zustand befinden können. Dazu gehören ‘Sachen’, ‘Dinge’, ‘Lebewesen’ und ‘Personen’; ‘Objekte’ eben, im Sinne einer handelnden und kommunizierenden Lebenserfahrung (nicht im grammatikalischen Sinne).
Ein Baum, ein Haus, ein Hund, eine Frau, ein Präsident, ein Stein, ein Berg, ein Freund,…
Jemand, den man anfassen kann, mit dem man reden kann, oder der einem selbst gegenüber steht,…
Sehr häufig benutzen wir die Begriffe ‘ich’ und ‘Gott’, als würden sie zu dieser Kategorie gehören.

Es gibt aber auch noch andere Nomen. Begriffe, die mehr eine ‘Idee’ als ein ‘Objekt’ beschreiben: Schönheit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Leben, Stille, Glück, Dankbarkeit, Sein,…
Obwohl mehr oder weniger klar definiert, muss ihre Bedeutung eher intuitiv erfasst werden, und man kann sie z.B. weder anfassen noch mit ihnen im üblichen Sinne direkt sprechen.
Beziehung mit und zwischen ihnen geschieht auf einer anderen Ebene als mit und zwischen Objekten. Diese Wörter haben etwas Raumhaftes, Musikalisches, Grenzenloses, Zeitloses an sich. Der Umgang mit diesen Begriffen hinterlässt eine ganz andere Spur in unserem Wesen als der Umgang mit den oben genannten ‘Objekten’.

Wenn Du Dir also ein kleinen Augenblick entspannte Zeit nehmen magst, den Auswirkungen dieses Unterschiedes in Dir nachzuspüren –

Was, wenn wir ganz selbstverständlich und dauerhaft so leben würden, als gehörten ‘ich’ und ‘Gott’ zu der zweiten Kategorie von Begriffen?
Was, wenn ich ‘ich’ sagen würde mit der gleichen Haltung, mit dem gleichen Gefühl, mit dem ich ‘Wahrheit’ oder ‘Schönheit’ oder ‘Stille’ oder ‘Leben’ oder ‘Dankbarkeit’ sage?
Was, wenn ‘ich’ und ‘Gott’ in ihrer Essenz wirklich ganz und gar keine ‘Objekte’ sind?

Das ist ganz konkret und praktisch gemeint – und mich würde wirklich interessieren, wie es Dir, lieber Leser dabei ergeht, wie sich das Denken und Aussprechen dieser Worte dann für Dich anfühlt.

Um in dem Vergleich zu bleiben – vielleicht würde sich unter diesen Umständen vielleicht sogar auch leichter unserer Blick für die Quelle öffnen, aus der alle Sprache in die Welt tritt. Und letztendlich für die Ahnung von dem Urgrund, in dem überhaupt erst die Idee einer Quelle auftauchen konnte.

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Hartwig

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