Wo bist Du?

Es gibt so viele Fragestellungen, die das Leben erst richtig lebenswert machen.
Normalerweise rühren leider nur ganz wenige Menschen diese Fragestellungen an, gehen wie blind über Abgründe hinweg, ein paar erstaunliche Schritte im Nichts, und sie merken es nicht und wundern sich nicht
Eine von diesen Fragestellungen ist sicherlich: “Wo bin ich?” Also, ich meine: “Wo bin ich ganz genau?”

Wenn ich Dich frage: “Wo bist Du?”, kann es sein, dass Du mit einer Mischung aus Verwunderung oder Gereiztheit antwortest: “Ja aber hallo, was soll denn der Unfug, ich bin natürlich hier..!” – und mit irgendeiner vagen Geste auf Deinen Körper verweist.

Sehr gut!
Du hast innerhalb dieses unendlichen Universums den Raum, in dem Du zu finden bist, auf ca. – je nach Körpergröße – 60 bis 120 Liter beschränkt.
Darauf kann man doch aufbauen.
Aber um Dich nicht in Stress zu versetzen, werde ich Dir lieber beschreiben, wie ich ab diesem Punkt weiter vorgehe:
Das, was “ich” sagt, scheint ganz eindeutig von Innen zu sprechen, von Innen zu schauen, von Innen wahrzunehmen, Innen nachzudenken und Innen zu fühlen. Also muss es doch folgerichtig auch in dem bereits erwähnten ‘Innen’ zu lokalisieren sein, in jenen 60 bis 120 Litern Raum, oder?
Wo genau also? Befindet sich dieses ‘Ich’ in meinem Kopf? Wie sieht es dort aus, wie fühlt es sich dort genau an? Wenn ich da irgendwo in oder zwischen meinen grauen Zellen ansässig bin, müsste ich doch fähig sein, einen etwas detaillierteren Lagebericht zu formulieren, zumindest was z.B. die Temperatur oder die Farbe meiner nächsten Umgebung betrifft.
Oder bin ich in meinem Herzen? In diesem unablässig arbeitenden Herzmuskel, oder in seinen Hohlräumen; dort, wo es oft so warm vor Liebe glüht? Oder gar in der Lunge, mitten zwischen diesen winzigen Bläschen, im entspannten Frieden eines ausgeschlafenen Sonntagmorgens im Bett?
Bin ich genau in dem Bauch, der sich manchmal so eigenartig in Angst, Furcht oder Peinlichkeit verwindet, und dann statt aus Gedärmen nur noch aus Bodenlosigkeit zu bestehen scheint? Bin ich mitten in oder zwischen den Darmschleifen also?

Um es kurz zu machen – so eigenwillig oder verrückt diese Übung erscheinen mag,  Du kannst jeden einzelnen Körperteil nach ‘Dir’ absuchen.
Ich für meinen Teil werde nicht fündig. Diese Aktivität von meinem ‘Ich’ kommt ganz sicherlich aus meinem Inneren, aber ganz definitiv nicht aus meinem Körper, nicht aus jenen 60 bis 120 … usw..
Und das ist beim zweiten oder dritten Mal darüber nachdenken nun doch nicht so banal, wie es zunächst scheint. Die Antworten, die man ganz spontan auf diese Frage fühlt, sind sehr eindeutig und weitreichend. Sie schließen sogar die nächsten Fragen mit ein: ‘Was bin ich?’ – als ‘was’ bin ich ‘wo’? – und ‘wer’ genau ist es, der all‘ diese Fragen stellt?
Allerdings entwerfen sie eine ganz andere Wahrnehmung von mir, als ich üblicherweise gewohnt bin.

Wo genau bin ich?
Wo genau bist Du?

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Hartwig

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