In vielen Lebenssituationen, in denen wir Menschen uns in einer komplexen, unverständlichen, Konflikt-beladenen Welt erleben, dürsten wir nach starken Gedanken, die uns etwas erklären, uns verstehen lassen, uns Lösungen für unsere Wünsche oder Probleme präsentieren.
Aus der Nähe betrachtet, klappt es aber gar nicht so oft, dass wir wirklich hilfreiche Gedanken finden. Denn die Gedanken, die unser Geist mit so großer Wichtigkeit, Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit zur Bewältigung einer schwierigen Situation vorschlägt, sind in den meisten Fällen so alt und abgestanden wie ein Becher saurer Milch. Durch ungezählte Wiederholungen anlässlich vergangener Ereignisse gänzlich verdorben.
Wer davon trinkt, findet vielleicht eine altbekannte Verlagerung des Problems vom Akuten ins Chronische (‘ich habe es ja schon immer gewusst …’), aber keine Erquickung oder gar Neue Wege.
Und wer auf der Suche nach einer echten Lösung nur einen Teil ausschüttet von den Konzepten und Entschlüssen, die er früher einmal gefasst hatte, um zukünftigen Leid vorzubeugen, dessen frische Milch wird leider auch nicht so recht schmecken oder den Durst löschen. – Sauer sein ist ansteckend!
Der Becher muss erst ganz und gar geleert werden. So leer, dass es Angst macht – wenn man gar nichts mehr weiß und keine Ahnung hat, wie es weitergehen soll.
Denjenigen, die es wagen, eine Weile voller Zuversicht im Nicht-Wissen zu ruhen, die bereit sind, sich einen neuen Weg zeigen zu lassen, nicht in fordernder Erwartung, sondern in umfassender Dankbarkeit; denjenigen, denen jeglicher Fortgang der Dinge gleichermaßen gut, aber keineswegs egal ist, denen offenbart sich ein Mysterium:
Das Leben schenkt nach! Scheinbar aus dem Nichts wird frische Milch dargeboten: überraschende, sanfte, offensichtliche und erstaunlich klare Sichtweisen, aber auch konkrete Ereignisse, die einen Schritt weiter führen. Ganz tief stimmige Antworten.
Es braucht ein nur wenig Mut, ein wenig Vertrauen und den Entschluss, wirklich endgültig genug zu haben von der sauren Milch.
