Träume verwirklichen

Ein Thema beschäftigt mich schon seit langer Zeit, und die Veröffentlichung dieses Blogs macht es für mich sehr aktuell: Oft habe ich in Unterhaltungen gehört, oder auch irgendwo gelesen, oder es gar selber gedacht, dass es wichtig sei, seine Träume zu verwirklichen. Allerdings stutzt etwas in mir jedesmal, wenn ich diese Formulierung ‘Träume verwirklichen’ höre; und ich frage mich, was denn damit eigentlich genau gemeint sein soll.

Heißt das nicht so etwas wie: es gibt zum einen ‘Träume’, und zum anderen ‘Wirklichkeit’, oft auch ‘die Realität’ genannt. Träume sind ‘nur Träume’ und nicht wirklich. Erst wenn man sie ‘wirklich gemacht hat’, werden sie Teil der Realität – …?
Diese Aufteilung entspricht so gar nicht meinem konkreten Erleben. Was ist dann so wichtig daran, seine Träume zu verwirklichen?

‘Verwirklichung’ könnte ja bedeuten, dass eine Idee oder ein innerer Impuls Gestalt annimmt, dass sie in eine sichtbare, messbare Form übertragen werden, die allgemein von Anderen wahrgenommen werden kann. Wenn Du sagen kannst: ‘das ist mein verwirklichter Traum’, und ein anderer Mensch kann etwas sehen, etwas hören, etwas berühren, eine Bilanz nachrechnen und daraus Krankenversicherungsbeiträge abführen, dann hast Du es ‘geschafft’…!
Aber ist die entstandene Form tatsächlich etwas Wirklicheres als der innerlich geschaute und gefühlte Traum? Der unantastbaren Intimität der Träume stehen die doch recht instabilen und angreifbaren Formen und Werke innerhalb der Welt gegenüber. Sie unterliegen dem steten Wandel von Blüte und Zerfall, sind der Unbill des Wetters ebenso ausgesetzt wie den Wirtschaftskrisen und Veränderungen von Geschmack und Zeitgeist. Sie können Anerkennung und Zuspruch hervorrufen, aber auch Kritik, Neid und Missgunst. Und ohne stets von der lebendigen Kraft des Traumes beseelt zu werden, kann jegliche Form sogar zu einer leeren und faden Hülle verkommen.

Was uns aber antreibt, ist das tiefe Streben und Sehnen danach, inspirieren und berühren zu wollen. Unsere verwirklichten Träume sollen Staunen machen, helfen, erheben, und das Feuer tausender Herzen entfachen – und sie tun dies auch. Das eigentlich Wirkliche an ihnen liegt für mich dabei im Wunder des Ausdrucks und der Kommunikation, und nicht unbedingt in der ‘Form an sich’. Wenn etwas Kraft hat an einem ‘verwirklichten Traum’, dann ist es vor allem der Traum ! Egal, ob es sich um Projekte, Initiativen, berufliche Aktivitäten oder Kunstwerke im weitesten Sinne handelt – in allen Formen des Ausdrucks begegnet und bereichert das Leben sich selbst  – erkennt, reift, korrigiert, verfeinert, genießt, und dehnt sich weiter und weiter aus, findet Frieden und Seeligkeit. Was will man mehr?

Ich will sehen, hören, fühlen, berühren und Du willst gesehen, gehört, gefühlt und berührt werden, damit das unaussprechlich Innerste dem unaussprechlich Innersten begegnen kann. Zum Glück gibt es dafür Sprache, Musik, Farben, Organisationsstrukturen, Papier und Internet. Nicht, dass all’ diese Dinge so ungeheuer wirklich wären; der Duft, den sie mit sich tragen, ist es schon.

Wirklichkeit kann man ja schließlich nicht ‘machen’, man kann sie nur entdecken als das, was schon immer da ist. In unseren Träumen, wie auch in jeglicher Gestalt, die sie annehmen.

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Hartwig

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